Als wäre es gestern gewesen, sehe ich die ältere Patientin mit aufgedunsenem Gesicht vor mir, wie sie sich etwas brüsk setzt, und dann erschrocken sagte: «Jetzt hat’s geknackt im Rücken». Und schon wieder war ein Wirbelkörper gebrochen! Kam ein Hustenanfall oder ein kräftiges Niesen – eine oder mehrere Rippen waren schnell entzwei!
So sieht Osteoporose im Extremfall aus: Die Knochen (Osteos) können so zerbrechlich (porös) werden, dass sie keine grösseren Belastungen wie z.B. starken Druck, Aufschläge oder gar ein Umfallen mehr aushalten können, ohne dass es zu einem Bruch (Fraktur) kommt.
Natürlich ist diese Art von Osteoporose, wie sie meine damalige Spitalpatientin erleiden musste, sehr selten. Man nennt sie auch sekundäre Osteoporose, weil sie durch Medikamente oder langjährige Stoffwechselstörungen verursacht wird. In ihrem Fall waren die Folgen ihrer jahrzentelangen Cortisontherapie gegen Asthma verhängnisvoll für ihre Knochen. Auch Schilddrüsenüberfunktionen, Geschlechtshormonmangel oder generell Störungen des Calziumstoffwechsels beeinflussen die Knochengesundheit negativ. 95% der Patienten erleiden eine primäre Osteoporose, die mit dem Alter, dem Hormon- und Mineralstoffwechsel zu tun hat.
Osteoporose geht uns alle an
Warum trifft diese Aussage je länger umso mehr zu? Warum bezeichnet die WHO Osteoporose als weltweit eine der 10 wichtigsten Volkskrankheiten? Weil nicht nur 10% der Bevölkerung davon betroffen ist, sondern auch jede 3. Frau und jeder 7. Mann über 50.
Im Prinzip haben die 35-jährigen Frauen die beste Knochendichte. Ab diesem Alter nimmt die Stärke der Knochen leicht ab. In der Menopause wird dann der Abbau wegen reduziertem Östrogenspiegel (weibliches Hormon) noch viel massiver, stabilisiert sich dann später wieder. Männer erleben nicht ganz so drastische Veränderungen. Nach dem 75. Altersjahr steigt aber auch bei ihnen das Frakturrisiko deutlich an und beträgt dann über 30% mehr als in jungen Jahren.
Bis es zu einer Fraktur kommt, kann der Knochenschwund also schon jahrelang fortgeschritten sein, ohne jegliche offensichtliche Zeichen. «Heimlifeiss» würden wir Innerschweizer dazu sagen! Die Basis starker Knochen wird während der Schwangerschaft gelegt und erfordert durch die ganze Kindheit einen sorgfältigen Aufbau.
Elastisch vernetzte Knochenarchitektur
Im Mutterleib wird das menschliche Skelett mit ca. 220 einzelnen Knochen geformt. Das braucht «Material» und wird hauptsächlich aus Proteinen zu einer elastischen Knochenmatrix (Grundlagengerüst) aufgebaut. Wie beim Bauwesen könnte man dies als Armierungseisengitter anschauen. Dazwischen wird Calzium und Phosphat in kristalliner Form eingelagert und verfestigt, vergleichbar mit Beton bei der Spannbetonbauweise.
Die Elastizität des Knochens hängt somit von Kollagenmolekülen ab, die aus Eiweiss hergestellt werden. Sie bilden lamelläre Schichten mit Kittlinien verknüpft, wie ein spiralförmiges Netz angelegt. Je dichter die Verknüpfungspunkte, desto stabiler ist der Knochen. Diese Knochenmatrix sieht aus wie ein Schwamm (Spongiosa) und ist vor allem in den Enden der Röhrenknochen, Ferse, Rippen, den Wirbelkörpern und im Handgelenk zu finden.
Je besser die Qualität der Knochenstruktur und die Quantität der eingelagerten Mineralien ist, «zusammengeleimt» mittels Wasser, Spurenelementen und Muccosachariden, desto grösser die Belastbarkeit. Der dauernde Abbau und Aufbau, also die Reparaturmechanismen des Knochens, werden dem momentanen Bedarf kontinuierlich angepasst. Der Knochen reagiert auf Druck und Zug mit erhöhtem Umsatz zur Stärkung der Knochenbälkchen mit all seinen Verstrebungen. Wenn weniger bewegt wird, wie z.B. bei Bettlägrigkeit oder bei Astronauten in der Schwerelosigkeit, dann wird Knochen innert weniger Wochen abgebaut. Er kann aber bei erhöhter Belastung mittels aller nötigen «Zutaten» wieder aufgebaut werden: Wasser, Eiweiss (Proteine), Calzium, Phosphat, Magnesium, Vitamine C, D, E sowie den Spurenelementen Zink, Kupfer und Mangan.
Wann spricht man von Osteoporose?
Man spricht von Osteoporose, wenn die gesamte Knochenmasse (Quantität) vermindert und eine Verschlechterung der Mikroarchitektur des Knochengewebes (Qualität) festzustellen ist. Folgen davon sind reduzierte Festigkeit und erhöhte Neigung zu Frakturen. Die häufigsten Brüche sind an heiklen Stellen mit viel Spongiosa, dem schwammartigen Knochen: Oberschenkelhals, Wirbelkörper, Handgelenk.
Gemessen wird die generelle Knochendichte an der Lendenwirbelsäule und/oder Hüfte mittels DXA-Methode. Man geht dabei von gesunden Frauen vor der Menopause als Referenzwert aus. Die Abweichung davon sollte nicht mehr als 2,5 vom statistischen Standartwert sein. Die Knochendichte an und für sich sagt jedoch noch nichts über das Fraktur-Risiko aus. Die Hälfte aller Menschen mit erniedrigter Knochendichte erleidet nie einen Knochenbruch. Die Quantität in Form von Dichte bzw. Dünnheit der Knochen ist nur ein Teil der Belastbarkeit. Viel wichtiger noch ist die Qualität der Knochenbälkchen. Jeder Schlag verursacht Mikrofrakturen, die laufend repariert werden. Genau diese Reparaturmechanismen sind bei Osteoporose noch zusätzlich mangelhaft.
Bin ich gefährdet für Osteoporose?
Das Sprichwort «Wie die Mutter, so die Tochter» gilt besonders für Osteoporose. Die maximale Knochendichte und die spätere Knochenverlustrate sind genetisch vorprogrammiert. Das heisst aber nicht, dass sie nicht mit Eigeninitiative beeinflusst werden kann! Es kann helfen, sich zu fragen: «Wie erleb(t)en die Mutter und die Grossmutter das Altern? Haben sie nach dem
45. Altersjahr eine spontan aufgetretene Wirbelsäulenfraktur erlebt?» Dann erhöht sich das Risiko für weitere Wirbelsäulenfrakturen um das Fünffache. Zwei oder mehrere Brüche in der 2. Lebenshälfte lassen das Risiko sogar auf das Zwölffache steigen. Zu bedenken ist auch, dass mit jeder Schwangerschaft und Stillzeit etwa 500mg Calzium jeden Tag an das Kind abgegeben wird. Wenn dieser hohe Bedarf nicht zusätzlich abgedeckt wird mittels Ernährung und/oder Nahrungsmittelergänzung, holt sich der Körper das Calzium aus den Knochen. Im Laufe von 5 Stillperioden ist der Calziumverbrauch total etwa 300g, was ein Drittel des im Skelett gebundenen Calziums ausmacht. Deshalb sagte man früher auch «pro Kind ein Zahn», denn die ausgelaugten Zähne werden anfällig für Karies, was offensichtlicher ist als die heimliche Osteoporose.
«Dünne Frauen, dünne Knochen»
Diesen Zusammenhang haben alle grossen Osteoporose-Risiko-Studien belegt. Untergewichtige Frauen haben ein hohes Risiko für Knochenbrüche. Übergewichtige Frauen sind besser «gepolstert», produzieren mehr Östrogen in den Fettzellen und fordern (=fördern) ihre Knochen mehr mit dem erhöhten Gewicht. Andererseits belastet starkes Übergewicht aber auch die Gelenke (führt zu Arthrose) und fördert die Verformung der Wirbelsäule, was langfristig zu Wirbeleinbrüchen führen kann.
Der Magersuchtswahn von zunehmend vielen Jugendlichen ist auch deshalb so schlimm, weil ein Aushungern gerade in dieser wichtigen Zeit des Aufbaus und Abschluss der Wachstumsphase die Grundlagen von starken Knochen verunmöglichen. Zum Teil ist dieser Schaden leider nicht mehr «auszubügeln», weil eine mangelnde Verstrebung von Knochenbälkchen nachträglich nicht wieder herzustellen ist.
Risikofaktoren
Als Risikofaktoren, die Osteoporose fördern, gelten die bekannten Gesellschafts-Tücken: viel zu wenig Bewegung oder das andere Extrem, die übermässige sportliche Aktivität. Beides ist den Knochen nicht förderlich.
Zu wenig Bewegung gibt zu wenig (Druck-) Impulse auf den Knochen. Sie werden zuwenig gebraucht, und folglich bauen sie mehr ab als auf. Hier hinein gehört auch der Faktor Depression, welcher durch verschiedene Ursachen in bis zu 6% weniger Knochenmasse resultiert: keine Lust auf Bewegung oder für sich zu kochen, Appetitmangel, höhere Spiegel von Stresshormonen (Cortison), Medikamente und ebenso das Gefühl, nicht gebraucht zu werden.
Spitzensportlerinnen sind sehr gefährdet, an Osteoporose zu erkranken, weil sie mit dem Ausdauertraining und der strikten Diät einen extrem geringen Anteil an Körperfett haben und generell keine Reserven aufbauen können. Der Wettkampfstress ist wiederum ein Cortisonauslöser, was Raubbau bis auf die Knochen fördert. Auch ein Abfall des Östrogenspiegels, gekennzeichnet durch ein Ausbleiben der Menstruation, fördert den Knochenabbau.
Östrogen schützt die Knochen, indem es die Osteoklasten, also die knochenabbauenden Zellen in ihrer Arbeit hemmt. Das Entfernen der Eierstöcke, oder eine früh einsetzende Menopause (vor dem 45. Lebensjahr), bewirkt ein Östrogenabfall. Der damit wegfallende Knochenschutz ist ein grosser Risikofaktor.
Saboteure am Werk?
Rauchen verdoppelt das Osteoporose-Risiko! Warum genau weiss man noch nicht, aber klar ist: Der Zigarettenrauch ist ein gewaltiger Vitalstoffräuber, was unter anderem auch die Knochen schädigt. Zudem nimmt man an, dass die Giftstoffe die knochenaufbauenden Zellen (Osteoblasten) hemmen.
Ebenso kann übermässiger Alkoholkonsum zu einer Mangelernährung führen, was den Knochen auslaugt. Die Leber als «Mutter aller Organe» nimmt durch Alkohol sehr rasch Schaden und kann dadurch keinen bedarfsgerechten Nachschub z.B. von Vitamin D an die Knochen schicken. Der/Die AlkoholikerIn hungert sich im wahrsten Sinne des Wortes «bis auf die Knochen» aus. Beim Mann kommt der zusätzliche Testosteronmangel als Folge des Alkoholismus noch verstärkend dazu. Dabei schädigt Alkohol auch direkt die Knochenzellen.
Sieht man Osteoporose äusserlich?
Am Anfang nicht. Die mangelnde Mineralisation und die fehlerhafte Struktur und Verknüpfung der Kollagenmoleküle im Verborgenen sind nicht spürbar. Erst wenn ein Knochenbruch eintritt, kommt es zu Schmerzen. Wenn zum Beispiel die Wirbelkörper in sich zusammensacken, können Rückenschmerzen ein ernstzunehmendes erstes Zeichen sein. Unbemerkt werden wir alle im Alterungsprozess wenige Zentimeter kleiner, dies sollte aber nicht dramatische Auswirkungen auf unsere Haltung haben. Offensichtliche Zeichen einer starken Wirbelsäulenverformung sind die länger werdenden Arme, die Rundrückenbildung (auch als «Wittwenbuckel» bezeichnet) oder ein Bauch ohne messbares Übergewicht. Wenn die Stützfunktion des Skeletts verloren geht, versucht die Muskulatur diese zu übernehmen. Die daraus folgenden Verspannungen entlang der Wirbelsäule bilden Falten, die wie ein Tannenbaum aussehen und Schmerzen auslösen können. Wenn es zur Berührung der Rippenbögen mit den Beckenkämmen kommt, entstehen noch zusätzlich Reibungsschmerzen.
Bewegung hat Priorität
Um es gar nicht zu einem massiven Knochenabbau kommen zu lassen, ist die Bewegung sicher einer der wichtigsten Faktoren. Gleichzeitig ist dies auch einer der heikelsten Punkte unserer Gesellschaft: Der Fortschritt wird zum körperlichen Nachteil, weil er uns vor nützlicher Bewegung schützt. Die Kinder werden zur Schule gefahren. Der Lift bringt uns mühelos in die Höhe. Das Auto ist einfach praktischer als zu Fuss oder mit dem Velo. Die tägliche Nahrungsbeschaffung braucht keine Wanderung mehr, sondern einen Mausklick. So kommt es, dass die Knochen sich nicht gebraucht fühlen, zu wenig Druck- und Zugimpulse erhalten. Folglich passen sie sich an und reduzieren ihre Widerstandskapazität. Interessant ist dabei, dass auch im Alter immer noch feststellbar ist, ob jemand in der Kindheit viel Sport getrieben hat. Anscheinend werden auch von daher die Grundlagen gelegt. Das sollte uns noch mehr motivieren, Kinder täglich bewegen zu lassen und ihre Lust auf Sport zu unterstützen. Ebenso zeigt sich, dass häufiger Sport für Senioren wichtig ist, um die Knochendichte zu fördern. Der tägliche Spaziergang genügt dazu aber nicht! Wer kein Fitnesszenter besuchen will oder kann, braucht mindestens einmal täglich Bewegung, die zum Schwitzen führt. Sich körperlich gefordert fühlen, an die eigenen Grenzen gehen gibt einen positiven Effekt an die Knochen. Dabei haben Druck und Zug auf die Knochen den grössten Effekt. Im Grunde genommen ist alles förderlich, was Druckwellen durch den Körper schickt, ohne grosse Schläge auf die Gelenke. Wenn Kinder also auf dem Sofa rumhopsen, ist dies nur dem Sofa abträglich... Bergwanderungen, leichtes Joggen auf Waldboden, Treppenlaufen, Rebounden* auf dem Trampolin, Seilspringen auf weichem Boden und Reiten wären speziell gute Sportarten für die Knochenförderung.
Wer schon von Osteoporose betroffen ist, darf je nach Schwere der Erkrankung gerade dies nicht tun oder nur sehr wenig, weil die Frakturneigung höher ist. Sanftere Impulse sind dann von Nöten: Gymnastik, Aquafit, Rebounden*, Nordic Walking oder leichter Muskelaufbau im Fitnesszenter unter Anleitung.
(*Rebounden ist ein federndes Laufen auf einem qualitativ hochwertigen Trampolin. Aufgrund der weichen Polypropylen-Matte und der speziellen Federaufhängung gibt es keine Schläge).
Was in wenigen Wochen an Knochensubstanz abgebaut wird, muss mit mehreren Monaten Sportaufwand wieder «zurückgekauft» werden. Dies geschieht aber nur, wenn der Knochen mit dem Richtigen gefüttert wird:
Jede Zelle besteht aus Eiweiss
Als in den letzten Jahren zum Thema Osteoporose fast ausschliesslich Calzium propagiert wurde, kam schnell die Meinung auf, es genüge, täglich Milchprodukte zu essen. Doch so einfach ist es nun auch wieder nicht! Es stimmt zwar, dass calziumreiche Ernährung allgemein von höherer Qualität ist, aber die Knochenstruktur ist viel komplexer.
Anhand der Zusammensetzung des Knochengerüstes wird ersichtlich, was für die dauernde Gesundheit essentiell ist: Grundsätzlich wichtig für die kollagene (elastische) Knochenmatrix ist genügend Eiweiss, vor allem während der Schwangerschaft und der Kindheit. Grosse Mengen davon sind nicht nötig, dafür öfters und abwechslungsreich. Gerade bei Kindern, die Pizza, Pommes und Pasta bevorzugen, ist dies nicht einfach umzusetzen. Täglich mindestens eine Handvoll Proteine in Form von Fleisch, Fisch, Eier, Milchprodukten oder Geflügel sollte es schon sein. Denn von nichts kommt nichts! Studien von Veganerinnen, die auch auf Milch und Eier verzichteten, wiesen die niedrigste Knochendichte auf.
Vegetarisch oder nicht?
Auch die Knochen können sich Eiweiss nicht aus der Luft holen oder aus den Fingern saugen. Deshalb ist es gerade für Vegetarier umso wichtiger, sich auf den Eiweissgehalt ihrer Nahrung zu achten. Vegetarierinnen, die monatlich menstruieren und kein Fleisch essen, können auf häufige Eier und Milchprodukte ausweichen. Milchprodukte alleine genügen nicht. Vergessen Sie dabei das Märchen vom Cholesterin. Auch das tägliche Ei schadet nicht, im Gegenteil. Die Proteine sind nicht nur für das Immunsystem oder die Fertilität, sondern auch für gesunde Knochen von Nöten. Eine amerikanische Studie zeigte, dass 80-jährige Frauen, die sich vegetarisch ernährten, aber Milch und Eier assen, eine eindeutig höhere Knochendichte hatten als gleichaltrige Frauen, die Fleisch zu sich nahmen. Das liegt wahrscheinlich nicht am Fleisch selber, sondern dass zu viel Fleisch (mehr als 4x/ Woche) eine Übersäuerung fördert, wofür die Knochen dann bezahlen. Das zeigte sich in einer anderen Studie mit 900 älteren Menschen zwischen 69 und 93 Jahren, in welcher jene die dichtesten Knochen hatten, welche das meiste Obst und Gemüse assen, aber sonst nicht vegetarisch. Die Liebhaber von Milch und Käse kamen nur auf den zweiten Platz, obwohl sie das meiste Calzium aufnahmen. Es braucht also genügend, aber nicht zuviel Eiweiss, um die kollagenen Fasern der Knochen funktionstüchtig zu erhalten. Und noch viel wichtiger sind die 5 Portionen pro Tag: Salat, Gemüse oder Früchte.
Beilagen sind das Wichtigste
Eine Studie am Universitätsspital Lausanne verglich die Calziumausscheidung via Urin zweier Gruppen: Die eine ass «normal» mit vielen säurebildenden Nahrungsmitteln wie z.B. viel Getreide (Brot, Müesli, Teigwaren, Reis etc.), Käse, Fleisch und Milchprodukte. Die zweite Gruppe bekam zum Eiweiss überwiegend basenbildende Nahrungsmittel wie: Früchte, Salat, Gemüse und Kartoffeln. Je nachdem, wie die Mahlzeiten aussahen, unterschieden sich die Calziumverluste um bis zu 74%! Darüber hinaus wurden bei der säureüberschüssigen Gruppe auch Substanzen ausgeschieden, die auf einen Knochenabbau hinwiesen. Diese Studie hat bewiesen, dass unsere Ernährung grossen Einfluss auf die Knochengesundheit hat und zwar nicht erst nach etlichen Jahren: Schon nach 4 Tagen konnte der Knochenraubbau nachgewiesen werden! Demzufolge geht eine Übersäuerung aufgrund unserer Ernährung sehr schnell auf das Konto der Knochen: Wenn die körpereigenen Puffersysteme überlastet sind, holt sich der Körper basische Salze aus den Knochen, was immer auch einen Verlust von Calziumionen nach sich zieht. Die Knochen sind eine Art Sparkonto für den Säure-Basen-Haushalt, wovon er sich je nach Ernährung sehr rasch bedient. Ob wir also Spaghetti Bolognaise und Käse (säurebildend) essen oder Kartoffel-Käsegratin (basenbildend) mit Tomatensalat ist entscheidend für die langfristige Knochendichte.
Idealverhältnis im Säure-Basen-Haushalt
Grundlegend ist, dass zu genügendem, aber auch nicht übermässigem Fleischkonsum, immer viel Gemüse und Salat gegessen wird. Das Getreide (säurebildend) ist nicht lebenswichtig, es kann oft besser durch Kartoffeln (basenbildend) ersetzt werden. Müesli sollte immer mit frischen Früchten oder Apfelmus kombiniert werden. Das Verhältnis von säurebildenden Nahrungsmitteln zu basenbildenden ist im Idealfall 20 zu 80%. Beispiele dazu wären der Fitnessteller oder Rösti mit Ei und Salat (Siehe auch im Bericht über den Säure-Basen-Haushalt).
Eine andere Studie im Bruderholz-Spital Basel will untersuchen, ob mit einer erhöhten Basenzufuhr nicht nur Calzium gespart, sondern auch wirklich eine Erhöhung der Knochendichte erzielt werden könne. Bestätigt sich die Hypothese des Studienleiters Prof. Krapf, dass die Osteoporose im Wesentlichen ein Problem des gestörten Säure-Basen-Haushalts ist, könnte mit Basenmitteln (in Form von Zitraten) ein günstiger Beitrag zur Osteoporose-Prophylaxe geleistet werden. Am vergangenen Osteoporose-Symposium im 2005 in Zürich kamen jedenfalls alle Referenten zur gleichen Schlussfolgerung: Ein gesunder Säure-Basen-Haushalt ist die beste «Versicherung» für gesunde Knochen.
Milchprodukte über alles?
Es stimmt, dass die Milchprodukte ganz vorne stehen in der Rangliste von calziumreichen Nahrungsmitteln. Vom Emmentaler würde es nur 95g und vom Greyerzer 110g brauchen, um den Tagesbedarf von 1000mg Calzium abzudecken. Mit einem Fondue oder Racclette ist dies schnell erreicht. Fast ein ganzes Kilo Tofu oder 1,1 kg Broccoli zu essen, um dieselbe Calziummenge zu erhalten, ist hingegen unmöglich. Von Vollmilch müssten wir «nur» 8,3 dl trinken (wie es Kinder gerne tun), von calciumreichem Mineralwasser mit mehr als 300 mg/l hingegen 3,3 l, damit 1g Calzium erreicht wird. Empfohlen werden 2-3 Portionen Milchprodukte pro Tag, wobei 1 Portion entweder 2 dl Milch, 1 Becher Joghurt, 30 g Hartkäse oder 60 g Weichkäse sind. Die traditionelle chinesische Medizin kritisiert den hohen Milchkonsum vor allem wegen der kühlenden und möglicherweise verschleimenden Wirkung, was sich als häufige Stirnhöhlenentzündungen, Bronchitis und ständigem Reiz zum Räuspern zeigen kann. Wer in dieser Hinsicht keine gesundheitlich chronischen Probleme hat, braucht sich deswegen keine Sorgen zu machen. Übrigens sind auch Mandeln, Fisch, Fenchel, Lauch, Kohl, schwarze Melasse oder Sesampaste wie Tahin sehr calziumreich.
Milchzucker-Unverträglichkeit
Vielen Menschen fehlt das Milchenzym Lactase, um die Lactose, den Milchzucker verarbeiten zu können. Sie spüren dies mit Durchfall und Blähungen nach milchzuckerreichen Nahrungsmitteln wie Joghurt, Quark, Molke und Weichkäse. Sie können aber ausweichen auf laktosefreie Milch, Sojamilch (mit vergleichbarem Calziumgehalt), Mandelpüree, vergorene Milchprodukte wie Sauermilchartikel und Hartkäse wie Sprinz, Parmesan und Pecorino.
Wie schon erklärt, sind zu den Milchprodukten als wichtige Eiweiss- und Calziumlieferanten die ergänzenden Basenspender nötig: Zum Joghurt die Früchte, zur Käseplatte der Salat, zum Fondue anstelle des Brotes oder ergänzend dazu Gemüse oder Kartoffel-Stückchen.
Kalk und Sonne
Wer schon Richtung Osteoporose geht, dem verschreibt der Arzt meistens ein Vitalstoff-Produkt mit mindestens 1000mg Calzium plus Vitamin D. Übrigens haben Studien gezeigt, dass eine Calzium-Supplementierung nutzlos ist bei niedriger Protein-Einnahme. Denn wo kein Gitter aus Protein, da kann auch das Calzium sich nirgends festhalten. Die Einnahme von Calzium sollte möglichst verteilt werden über den Tag. Abends ist die Resorption am Besten und fördert zusätzlich noch den tiefen Schlaf. Schüsslersalze ersetzen kein Calzium,
sondern verbessern die Aufnahme und den Einbau.
Die Zusammensetzung von Calzium und Vitamin D ist sinnvoll, denn das Vitamin D stimuliert die Calziumaufnahme im Darm und reguliert den Calzium- und Phosphatstoffwechsel. Es wird von vorwiegend tierischen Lebensmitteln (Fische, Eier, Käse, Pilze) her aufgenommen und wird im Körper, bzw. in der Haut mittels Sonne auch selber hergestellt. Das bedingt, dass wir vor allem im Winter jeden Sonnenstrahl nutzen. Wer sich dann noch bis zur Nasenspitze gut einpackt und eincremt, bekommt nicht allzu viel von der lebensspendenden Sonnenenergie mit. Dreimal die Woche 10 Minuten Gesicht und Hände an der Sonne würden schon genügen, um ein Minimum an Vitamin D zu erhalten. Babys und Menschen in Pflegeheimen oder Spitälern leiden durch den Sonnenmangel oft an einem Vitamin D-Defizit, welcher durch wenige Tropfen an Vitamin D auch ersetzt werden könnte.
Kein Calzium ohne Magnesium
Da Magnesium und Calzium im Wechselspiel miteinander stehen, sollte man nie nur Calzium oder Magnesium über längere Zeit alleine einnehmen als Nahrungsmittelergänzung. Die beiden Mineralien brauchen einander, auch wenn sie Gegenspieler sind. Calzium benötigt Magnesium, um durch
die Zellhülle zu kommen und für die Bindung an Eiweisse. Man kann Magnesium und Vitamin D als Schlüssel für die Knochen betrachten.
Da Magnesium-Mangel relativ oft vorkommt, braucht eine anständige Osteoporose-Prophylaxe nebst Calzium und Vitamin D immer auch ein Augenmerk auf die Magnesiumversorgung: 90 g Sonnenblumenkerne, 140 g Mandeln, 240 g Haferflocken oder Vollreis, 380 g Zartbitterschokolade oder 1,2 kg Bananen würden einen ganzen Tagesbedarf von 350 mg Magnesium abdecken. Als Supplementierung wird Magnesium auch zusammen mit Calzium und Vitamin D angeboten. Dabei ist das Verhältnis von Calzium zu Magnesium mit 2:1 einzuhalten, also doppelt soviel Calzium wie Magnesium.
Auf Knochenräuber achten!
Weil das Rauchen Giftstoffe freisetzt, verbraucht der Körper viel Vitamin C, um die Folgeschäden zu entschärfen. Darum haben Raucher ein dreimal höheres Risiko für Hüftfrakturen. Das Vitamin C wird benötigt, um die Elastizität der Knochenmatrix aufzubauen. Es fördert dessen Quervernetzung, deshalb findet man bei hoher Vitamin C-Aufnahme auch eine verbesserte Knochendichte.
Phosphat verbindet sich mit Calzium, was den Knochen und Zähnen ihre Festigkeit gibt. Im Idealfall essen wir ebensoviel Calzium wie Phosphat. Aber oftmals stimmt dieses Gleichgewicht nicht, weil wir mit chemischen Zusätzen in Fleisch und Wurstwaren, Cola-Getränken und Schmelzkäse viel zu viel Phosphat aufnehmen.
Auch Oxalsäure bindet das Calzium fest an sich, so dass es der Körper nicht aufnehmen kann. Darum sollten Osteoporose-Patienten nur selten Rhabarber, Mangold oder Spinat essen.
Das Koffein fördert die Calzium-Ausscheidung über den Urin. Dieser Umstand kommt vor allem bei Personen mit niederer Calziumaufnahme und hohem Kaffeekonsum zum Tragen (max. 4 Tassen pro Tag).
Wassermangel könnte unter Umständen auch einen Einfluss auf die Gesundheit der Knochen haben. Dies vermutet Dr. Batmanghelidj, Arzt und Autor der bekannten Wasserbücher. Da ein jahrzentelanger Wassermangel immer auch Stresshormone auslöst, die dann für die Knochen abträglich sind, empfiehlt er mindestens 2 Liter Wasser täglich.
Starke Gefühle, starke Knochen
Mittels kinesiologischem Muskeltest kann auch der emotionelle Aspekt einer Krankheit ausgetestet werden. Die Erfahrung zeigt, dass Osteoporose häufig etwas mit inneren Werten zu tun hat wie z.B.: Glaube ich an meine persönlichen Stärken? Bin ich auch meiner Vorteile bewusst, nicht nur meinen Nachteilen? Fühle ich mich stärkend getragen von meinem sozialen Netz? Bin ich auch in Stress-Situationen belastbar? Diese und weitere Fragen werden im neuen Kurs «Starke Frauen – starke Knochen» im Kurhaus St. Otmar näher beleuchtet (siehe Kurse/Seminare).
Fehlt uns ein gesundes Selbstvertrauen, wirkt sich dies sowohl direkt auf die Knochenenergie, als auch auf unser physisches Auftreten aus und erhöht die Sturzgefahr.
Zusammenfassend sagt uns die Osteoporose-Prophylaxe wiederum Altbekanntes:
Viel Bewegen, gesundes Selbstwert- und Körpergefühl, genügend Eiweiss und dazu ganz viel Gemüse, Früchte und Wasser. Damit bleiben sie ein Leben lang knochenstark.
Marianne Camenzind
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