Sekundäre Pflanzenstoffe –__Lebensversicherung zum Essen?

«C-A-F-F-E-E, trink nicht so viel Kaffee ... schwächt die Nerven, macht dich blass und krank» hiess es in einem alten Kinderlied. Heute steht im Gegensatz dazu auf der Kaffeeverpackung geschrieben: «Natürliche Quelle von Antioxidantien». Das tönt so, als ob wir mit Kaffee ein gesundes Rostschutzmittel einnehmen würden. Was gilt nun? Was hat es mit diesen Antioxidantien auf sich?

von Marianne Camenzind

«Eure Nahrung soll euer Heilmittel sein. Eure Heilmittel sollen eure Nahrungsmittel sein.»
Hippokrates, 40 vor Christus

Terroristen im Körper

Mit jedem Atemzug nehmen wir Sauerstoff auf, welchen wir zur Energiegewinnung in den Zellen benötigen. In den kleinsten Kraftwerken der Zelle, den Mitochondrien, werden mit Hilfe von Sauerstoff die Nahrungsmoleküle Zucker, Proteine und Fette zu Energie verbrannt. Wie es bei einem Holzfeuer zu Kohle und Asche kommt, entstehen bei diesem Prozess toxische Abfallprodukte. Sie werden freie Radikale genannt. Es sind aggressive Sauerstoffverbindungen, denen ein Elektron fehlt. Mit dieser elektrischen Instabilität versuchen sie, sich in der Umgebung ein Elektron zu klauen. Es ist wie ein einbeiniger Mensch, der umher hopst und eine Krücke braucht, um wieder ausgeglichen zu laufen. Je nachdem, wem die freien Radikale «eine Krücke» stehlen können und wie viele es von ihnen gibt, entstehen Schäden an den Zellmembranen oder am Erbgut der Zellen. Eigentlich ist dieser oxidative Stress wie ein innerliches Rosten, natürlich nur im Kleinen, aber dennoch Ursache von Alterung und Krebsentstehung.

Antioxidantien sind «Krücken-Lieferanten»

Das körpereigene Schutzsystem ist es gewohnt, diese hochreaktiven Stoffe zu neutralisieren. Eine Person mit 70 Kilo Gewicht produziert bis zu 1,7 Kilo freie Radikale pro Jahr. Dieser «Abfallberg» wird umso grösser, je mehr zusätzliche Belastungen hinzu kommen: Stress, starke Sonneneinstrahlung, Medikamente, Zigarettenrauch, Amalgam, Ozon, Chemikalien, Alkohol und viele andere Umweltbelastungen. Wird der Körper in seiner entgiftenden Fähigkeit überfordert, nimmt er gerne die Hilfe von sogenannten Antioxidantien an: Natürliche Substanzen, welche viele zusätzliche Elektronen abgeben können, ohne selbst instabil zu werden. Antioxidantien haben quasi überzählige Krücken, die sie verschenken können. Damit verhindern sie übermässigen Schaden an der Struktur vieler Zellbestandteile. Von freien Radikalen verursachte Verletzungen können sich im Laufe eines Zell-Lebens auf mehr als 50‘000 «Wunden» akkumulieren. Damit die Zelle deswegen nicht vorzeitig abstirbt oder sich unkontrolliert vermehrt (= Krebs), brauchen wir täglich unzählige Antioxidantien. Sie sind die täglichen Reparatur-Hilfsmittel.

Vitalstoffe für Vitalität

Altbekannte Antioxidantien sind Vitalstoffe wie Vitamin A, C und E sowie Spurenelemente wie Zink und Selen. Wir nehmen sie mit unserer täglichen Nahrung auf, jedoch in unterschiedlichen Mengen. Dies ist abhängig von Ernährungsgewohnheiten, Herkunft der Nahrungsmittel und Verarbeitung. Zum Beispiel Selen: In Ländern mit selenarmen Böden kommt es laut Studien viel häufiger zu Krebs als anderswo. Deshalb macht es auch Sinn, dass die Schweiz Getreide vom Ausland importiert, da wir wenig Selen im Boden haben. Selen schützt auch Herz und Gelenke vor Entzündungen. Vitamin E dagegen verhindert das «Ranzigwerden» von fetthaltigen Anteilen im Körper (z.B. Zellwände, Gefässinnenseiten etc.), da es selber ein fettlösliches Vitamin ist.
Im wasserlöslichen Bereich (z.B. im Zellinnern) trägt Vitamin C etwa 15 Prozent zum antioxidativen Schutz der Zelle bei. Doch mit einer Tablette Vitamin C ist die tägliche Reparatur-Arbeit nicht getan! Es braucht wie in einem Orchester nicht nur einzelne Solisten, sondern verschiedenste Musiker. In den letzten Jahren wurden Forscher dessen gewahr, dass es nebst Vitalstoffen noch vieles mehr gibt: In Studien mit einzelnen, hochdosierten Substanzen wie Vitamin A und E zur Krebsvorsorge an Rauchern zeigte sich sogar eine gegenteilige Wirkung! Diejenigen mit synthetischer Vitalstoffeinnahme in hoher Dosis bekamen sogar noch mehr Lungenkrebs als Raucher mit geringer Zufuhr. Es kann also nicht nur an einigen wenigen Substanzen liegen! Dies bestätigt, weshalb fleissige Gemüse- und Früchte-Esser weniger Krebs und Alterserscheinungen erleiden.

Das Zusammenspiel macht’s aus!

Aus dieser Sackgasse des isolierten Denkens heraus führt der ganzheitliche Ansatz, dass die Wirkung von Pflanzen nicht auf einzelne Bestandteile reduziert werden kann. Vielmehr gibt es Tausende von Wirkstoffen, welche miteinander die Pflanze lebensfähig und immunstark machen gegen Schädlinge. Am Beispiel des Apfels wird klar, was gemeint ist: Ein Apfel enthält etwa 10 Milligramm Vitamin C. Die gesundheitliche Wirkung allein auf dieses Vitamin zu beschränken, kann den Spruch «an apple a day keeps the doctor away» nicht begründen. Denn erst die Kombination von Vitamin C und vielen anderen Pflanzeninhaltsstoffen (im Fall des Apfels sind dies vor allem Polyphenole) erzielt einen antioxidativen Wert von 2250 Milligramm Vitamin C! Das bedeutet, dass es nicht genügt, synthetisches Vitamin C allein einzunehmen, um zum Beispiel den herzschützenden Effekt von Äpfeln zu erzielen. Es braucht die ganze Frucht.
Und: Die meisten Vitalstoffe liegen in und unter der Haut. Würden wir nur das Fruchtfleisch essen, würden wir seine wichtigsten Abwehrstoffe verpassen. Diese hat sich der Apfel zugelegt, um sich vor Schädlingen zu schützen. 

ORAC-Skala

Was bedeutet nun ein «antioxidativer Wert»? Genau wie bei anderen Einteilungen hat man die schützende Wirkung gemessen, welche Pflanzenstoffe in der Abwehr gegen die schädigenden Einflüssen von freien Radikalen zeigen. Je höher der Wert, umso grösser die antioxidative Schutzwirkung des Nahrungsmittels. Dieser sogenannte ORAC-Wert (von den Brunswicklaboratorien in den USA entwickelt) bedeutet «Oxygen Radical Absorbance Capacity». Das heisst übersetzt: Kapazität der Absorption von freien Radikalen. Oder vereinfacht ausgedrückt: So viele Krücken kann dieses Nahrungsmittel abgeben. Eine gesunde Ernährung sollte täglich mindestens 3000 ORAC-Einheiten enthalten. Dies ist nur mit vielen Früchten und Gemüsen zu erreichen oder zum Beispiel in einem ganzen Kilo Kirschen enthalten. «Leere» Kohlenhydrate wie weisser Zucker oder Mehl geben keine Schutzwirkung.

Wer gut beginnt, hat halb gewonnen

Wer einen Tag gut beginnen will, fängt ihn am besten mit einem Frühstück an, das ORAC-reich ist: Vor allem Beeren führen diese Hitliste an: Heidelbeeren, Goij-Beeren, Moosbeeren (Cranberries), Brombeeren, Himbeeren etc. Klar, Beeren sind zu jeder Jahreszeit eher teuer im Vergleich zu anderen Früchten. Sie sind ihr Geld aber auch wert! Beeren liefern massenweise Farbstoffe, sogenannte Polyphenole mit vielen Gruppierungen. Ellagsäure, Tannine und Anthocyanidine geben die leuchtenden Farben rot, rosa, lila, orange und blau. Sie schmecken herb und wirken krebshemmend, indem sie viele Antioxidantien zur Verfügung stellen, das Krebszellwachstum stoppen können und die Blutversorgung zu Krebszellen «kappen». Nicht umsonst heisst der Titel eines wissenschaftlichen Buches: «Krebszellen mögen keine Himbeeren.»
Also: Nebst Banane als energiereicher Kohlenhydrat-Lieferant gehören viele frische oder getrocknete Früchte ins Müesli oder den Smoothie! Wenn Früchte (und natürlich auch Gemüse) getrocknet werden, konzentriert sich der Gehalt an Pflanzenstoffen immens. Darum ist der Konsum von getrockneten Pflaumen, Cranberries, Weinbeeren etc. auch in Bezug auf die Gesundheitsprävention wichtig und gehören in jeden Notvorrat und jeden Tag zum Menüplan! Cranberries zum Beispiel werden besser getrocknet denn als Saft konsumiert, da sie so mit voller Kraft Bakterien abwehren und Blasenentzündungen vorbeugen können.

Getränke als Schutzschilder

Um beim Frühstück Gesundheit pur zu trinken, gehören abwechselnd Kaffee und Grüntee, aber auch Roiboos oder Lapacho-Tee in die Tasse. Beim Kaffee weiss man heute, dass er in mässigem Konsum (max. 5 Tassen) ein fünf Mal geringeres Risiko bewirkt, an Parkinson zu erkranken. Ein höherer Konsum wirkt aber gegenteilig auf den Wasserhaushalt und die Nervenstimulation: Das Koffein in einer Überdosierung kann Schlafstörungen, Kopfweh und Nervosität bewirken, je nach Sensibilität, Menge, Tageszeit und dem Wasserkonsum daneben. Pro Tasse Kaffee ein grosses Glas Wasser ist immer noch sinnvoll.
Der Grüntee verschenkt seine Flavanole, wenn er lange genug (mindestens 8-10 Minuten) ziehen darf. Diese hemmen die Entwicklung von Blutgefässen, die für das Wachstum von Krebsgeschwüren verantwortlich sind. Dazu kann ein regelmässiges Trinken von Grüntee den Cholesterinspiegel senken, weil Cathechinflavanole die Cholesterinresorption im Darm hemmen. Eine niederländische Studie hat gezeigt, dass schon eine Tasse Grüntee zu einer deutlich verbesserten Wirkung von Antioxidantien führt. Zwei bis drei Tassen täglich werden empfohlen. Dabei hat der japanische Grüntee in der Regel weitaus mehr Cathechine als solche aus China. 
Getränke aus Rinde wie Roiboos (Rotbuschtee) oder Lapacho stärken unser Immunsystem, wie die Pflanze sich durch die Rinde ein Schutzschild gegen Infektionen erhält. Sie enthalten kein Teein und dürfen lange ziehen.

Znüni und unterwegs

Wer beim Frühstück nicht auf sein geliebtes Butterbrot verzichten will, braucht spätestens als Zwischenmahlzeit im Verlaufe des Morgens seine Ration an Farbigem. Grundsätzlich gilt: Je farbenreicher Früchte sind, desto mehr enthalten sie (Flecken verursachende) Farbpigmente (Polyphenole) wie Flavonoide, Anthocyane oder Tannine. Diese Anthocyane geben den Blättern im Herbst auch ihre leuchtende Farbkraft. Wer sie fleissig isst, der nimmt damit seinen kleinen, täglichen Krebsschutz zu sich. Das heisst: Pro Zigarette eine Handvoll Beeren? Gute Idee! Beeren im Joghurt, getrocknet vom Kiosk, frisch vom Bauer und immer bereit im Auto unterwegs – eine bessere Zwischenverpflegung als Früchte in jeglicher Form muss man weit suchen. Eine Portion Früchte kann auch als Smoothie, also als frisch gepresste Fruchtsäfte, unterwegs konsumiert werden – ein wertvolles Znüni!

Apéritiv im Fokus

Vor dem Zmittag überfällt uns oft ein Heisshunger, welcher aber nicht unbedingt heiss befriedigt werden muss: Oliven, Avocado, Nüsse und Gemüsestengel mit einem feinen Dip nehmen den grössten Spitz des Hungers vorneweg und befriedigen den Körper in seinem Millionen Jahre gewohnten Bedarf an Pflanzenkost. Diese Nahrungsmittel sind aus «nährwertigen» Gründen den Salzstengeln und Erdnüssen vorzuziehen.
Oliven, eingelegt, als Aufstrich und als kaltgepresstes Öl, enthalten Flavone, weitere Phenole und einfach ungesättigte Fettsäuren. Zusammen mit Vitamin E wirken sie hoch antioxidativ, Blutdruck senkend, gerinnungshemmend und verringern das Darm- und Brustkrebsrisiko. Ähnlich ist die Wirkung von echten Nüssen durch die guten Öle und den Vitamin E-Gehalt darin. Erdnüsse sind übrigens keine echten Nüsse, sondern eine Art Hülsenfrucht.
Auch in Avocados finden wir eine reiche Quelle an einfach ungesättigten Fettsäuren. Diese sind sehr gesund für das Herz, zusammen mit den darin enthaltenen Vitaminen B6 und C. Daneben bieten Avocados als sekundäre Pflanzenstoffe das bekannte Carotinoid Alpha-Carotin. Wie andere Carotinoide schützt es vor der Oxidation des «schlechten» LDL-Cholesterins und verringert das Arterioskleroserisiko. Deshalb: Als Guacamole, in Stückchen im Salat oder als Vorspeise sehr empfehlenswert!
Gemüsesäfte, eventuell gewürzt und bestimmt nicht eiskalt serviert, erweitern das Gemüsespektrum enorm. Warum nicht wieder mal einen Tomaten-, Sellerie oder Randensaft als Aperitif?

Zum Zmittag

Rohkost beim Mittagessen ist «verdauungstechnisch» der beste Zeitpunkt am Tag. Als Blattsalatmischung bieten sich bitterstoffreiche Wintersalate wie Endivie, Brüsseler, Zuckerhut oder Eisbergsalat an, welche mit ihren Pflanzenstoffen den Gallefluss und damit die Verdauung anregen. Als Auflockerung Chicorino rosso und Lollo rosso essen, die wiederum mit ihren Flavonoiden (Anthocyanen) antioxidativ wirken. Lollo Rosso enthält zehn Mal so viel vom Flavonol Quercetin wie normaler Blattsalat, was entzündungshemmend wirkt. Menschen mit chronischen Entzündungen wie Polyarthritis sollten viel Quercetin zu sich nehmen, auch enthalten in Äpfeln und Zwiebeln.
Wer gerne Tomaten isst, dem sei empfohlen, die gekochte Form sehr häufig zu geniessen: Der Gehalt des roten Farbstoffes Lycopin ist am höchsten im Tomatenmark. Auch Spaghettisauce, Ketchup, selber gemachte Tomatensuppe (v.a. angereichert mit Tomatenmark) und Tomatensaft enthalten dieses Carotinoid. Das Aufbrechen der Zellstrukturen durch Hitze ermöglicht eine bessere Extraktion des Wirkstoffs sowie Veränderungen in seiner Struktur, durch die der Organismus ihn leichter verwerten kann. Dabei erhöhen Fette die Verfügbarkeit des Lycopins: Eine maximale Menge an Lycopin erhält man also durch Kochen von Tomaten mit Olivenöl. Länder mit hohem Tomatenkonsum wie Italien, Spanien und Mexiko haben deutlich niedrigere Prostatakrebsraten als Nordamerika. Der Genuss von zwei Mal Tomatensauce pro Woche kann das Risiko, an Prostatakrebs zu erkranken, bereits um 25 Prozent senken. Knoblauch gehört natürlich dazu!

Knoblauch und Zwiebeln gegen allerlei Gesundheits-Vampire

Seit etwa 5000 Jahren wird der Anbau von Knoblauch und Zwiebeln vorangetrieben. Bei den Ägyptern wie bei den Römern gab es viele Heilmittel auf Knoblauchbasis: Zur Behandlung von Infektionen, Atemwegserkrankungen, Verdauungsstörungen sowie Energie-mangel empfohlen. Im Mittelalter gegen Pest und später gegen Skorbut und Asthma wurden den stinkenden Knollen stärkende Fähigkeiten zugesprochen. 1858 wies Louis Pasteur die starke antibakterielle Wirkung des Knoblauchs nach. 
Der starke Geruch kommt von verschiedenen schwefelhaltigen Molekülen, welche bei der Verarbeitung von frischem Gemüse aus der Allium-Familie entstehen. Im Gegensatz zur gängigen Meinung, dass Knoblauch gegen Vampire schützt, ist die Wirkung auf die Blutgerinnung umgekehrt, nämlich gerinnungshemmend. Damit wird das Blut «flüssiger» und kann so möglicherweise Zirkulationsstörungen z.B. im Hirn vermindern. 
Auch in der Krebsvorsorge könnte die penetrant riechende Knolle eine wichtige Rolle übernehmen, sofern sie häufig frisch gegessen wird: Die phytochemischen Verbindungen verhindern die Umwandlung von Nitrit in krebserregende Nitrosamine. Dies betrifft die Konsumenten von Würsten, Speck und Schinken mit dem darin enthaltenen Konservierungsmittel Nitrit, aber auch alle Raucher: Denn bei der Verbrennung von Nikotin entsteht ebenso das extrem giftige Nitrosamin. Dabei hat Knoblauch offenbar eine höhere Schutzwirkung als Zwiebeln. Diese verringern dafür das Erkrankungsrisiko für Magenkrebs. Alle «stinkenden» Gemüse, also auch Lauch, Bärlauch und alle Kohlarten, sollten häufig und frisch zerdrückt oder verschnitten gegessen werden, um von den wertvollen Inhaltsstoffen zu profitieren.

Dessert & Zvieri-Ideen

Die schon erwähnten Polyphenole mit ihrer aussergewöhnlichen Schutzwirkung als Antioxidanten können im Bedürfnis nach Süssem auf eine gesunde Seite hin ausgelebt werden: Am meisten Tannine finden sich in Zimt und Kakaopulver, da sie sehr konzentriert getrocknet sind. Die antioxidative Wirkung einer Tasse heisser Schokolade ist etwa fünfmal so hoch wie die einer Tasse schwarzen Tees, dreimal so hoch wie die einer Tasse grünen Tees und doppelt so hoch wie die eines Glases Rotwein. Deshalb der Vorschlag, zuhause, im Auto und in der Reisetasche immer getrocknete Beeren und schwarze Schokolade mit mindestens 70 Prozent Kakaoanteil dabei zu haben. So werden Genuss und die positive Wirkung auf Blutgerinnung und Gefässelastizität miteinander verbunden und zur Vorbeugung von Blutgerinnsel, Herzinfarkt und Apoplexie, dem «Schlägli» im Volksmund. Indios trinken mehr als fünf Tassen Kakao pro Tag und haben trotz hohem Salzkonsum einen abnorm niedrigen Blutdruck.
Schon Mal Schoggifondue mit schwarzer Schokolade und Beeren gegessen? Oder «gäbig» für unterwegs (ausser im heissen Sommer): Mit dunkler Schokolade umhüllte Früchte oder Nüsse. Im Mass genossen (= eine Handvoll oder eine Reihe Schokolade) bedeuten sie konzentrierten Power!

Ein gehaltvolles Nachtessen ohne viele Kalorien

Abends eine warme Mahlzeit, zum Beispiel in Form von Gemüsekombinationen, erwärmt Körper und Seele. Dabei erweisen sich alle Kohlsorten als äusserst positiv in vielerlei Hinsicht: Sie enthalten phytochemische Wirkstoffe mit krebshemmenden Eigenschaften wie Glucosinolate, welche beim Essen in Sulforaphan umgewandelt wird. Dieser Wirkstoff ist ein hochwirksames Anti-Krebs-Molekül. Es wird fast als «Mikro-Chemotherapie» beurteilt, wenn häufig davon konsumiert wird: Das Blasen-, Prostata-, Lungen- und Brustkrebsrisiko sinkt um die Hälfte, wenn mehrmals pro Woche Broccoli, Rosenkohl oder andere Kohlsorten gegessen werden. Nur – Glucosinolate sind sehr wasserlöslich: Kocht man diese Gemüsearten zehn Minuten lang in reichlich sprudelndem Wasser, so reduziert sich die Menge der Glucosinolate auf die Hälfte. Auch Hitze setzt ihnen zu. Deshalb die Gemüse der Kreuzblütler nur mit wenig Wasser kurze Zeit dämpfen oder roh essen, dabei gut kauen.

Gewürze im Blickpunkt

Vergleicht man Indien und die Vereinigten Staaten, so zeigt Indien bei Männern und Frauen zwei Drittel weniger Krebsvorkommen. Inder haben auch die niedrigste Alzheimerrate auf der ganzen Welt, ein Fünftel so hoch wie im Westen. Im Süden Japans, in der Region Okinawa, sind die Bewohner für ihre überdurchschnittliche Lebenserwartung bekannt: 34 Hundertjährige auf 100 000 Einwohner im Vergleich zu 10 auf 100 000 Einwohner in Amerika. 
Was verbindet beide Gruppen? Die häufige Einnahme von Kurkuma, einem leuchtend gelben Pulver aus der Wurzel einer Pflanze der Ingwergewächse. Marco Polo erwähnte es 1280 als «Pflanze, die alle Eigenschaften des echten Safrans besitzt». Es wird in jeder Currymischung zwischen 20 und 30% verwendet. In Okinawa ist Kurkuma als Tee beliebt. Der Hauptbestandteil, das Curcumin ist nicht nur für die gelbe Farbe, sondern auch für die gesundheitsfördernde Wirkung verantwortlich. 
In Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass das Curcumin das Wachstum von Krebszellen und deren Blutgefässe verhindert. Damit wird z.B. die Mutation von Darmpolypen in Darmkrebs signifikant verlangsamt. Auch Entzündungsmoleküle im Blut gehen zurück bei regelmässiger Einnahme von Kurkuma. Einzig die schwache Bioverfügbarkeit, das heisst, seine geringe Resorption durch den Organismus scheint ein Hemmnis zu sein. Wenn Curcumin jedoch mit Piperin, einem Molekül des Pfeffers in Verbindung kommt, wird die Resorption um mehr als das Tausendfache gesteigert! Ein scharfes Curry ist also durchaus potent!

Zum Wohl!

«Ein wenig Wein ist ein Mittel gegen den Tod. Viel Wein ist das Gift des Lebens.» So sagt es ein persisches Sprichwort. Dass Wein lebensverlängernde Wirkung hat, ist in der Geschichte unserer Zivilisation schon lange bekannt. Warum dies so ist, wurde erst Ende des 20. Jahrhunderts untersucht. Kopfzerbrechen machte dabei den Wissenschaftlern, warum Franzosen trotz ihrer ungesunden Lebensweise mit viel fettigem Essen und Rauchen nur halb so oft wie Amerikaner oder Engländer einen Herzinfarkt oder andere Erkrankungen der Herzkranzgefässe haben. Da der Hauptunterschied zwischen Angelsachsen und Franzosen im Getränkekonsum liegt, wurde das «französische Paradox» berühmt: Engländer und Amerikaner trinken bevorzugt Bier, die Franzosen hingegen Wein.
Der massvolle Genuss von rotem Wein senkt das Sterberisiko bei Herzerkrankungen um 40 Prozent. Diese Wirkung wird dem Resveratrol zugeschrieben, einem pflanzlichen Hormon. Die Wein-Reben bilden damit ihr Schutzschild gegen Pilze, die Fäulnis und Blattverlust verursachen. In Regionen mit einem gemässigteren und feuchteren Klima ist diese Abwehrstrategie umso mehr gefragt, deshalb enthält der Merlot, Dôle, Gamay oder Blauburgunder aus Nord-Europa zum Beispiel viel mehr Resveratrol als Weine aus warmen und trockenen Ländern. Ein Grund mehr, einheimische Weine zu bevorzugen! In vino veritas, solange Frauen nur ein bis zwei und Männer zwei bis drei Gläser Rotwein pro Tag trinken.

Auf den Punkt gebracht

Zusammenfassend kann zum heutigen Zeitpunkt gesagt werden, dass viele althergebrachte Ratschläge sich bewahrheiten:

  • Je mehr Früchte und Gemüse in unserer Ernährung vorkommen, desto besser. 5 bis 8 Portionen (1 Portion = eine Handvoll) entsprechen dem, woran unser Körper seit Millionen von Jahren gewohnt ist, täglich zu bekommen. Die Basis der Ernährungspyramide sind Früchte und Gemüse, entsprechen also dem Hauptanteil der täglichen Nahrungsmenge.
  • Je mehr Abwechslung von einheimischen, unbehandelten, nur kurz gelagerten oder transportierten und rohen oder schonend zubereiteten Lebensmitteln, desto besser. Ausnahme dabei sind Tomaten, welche lange gekocht mehr Lycopin hergeben als roh.
  • Je farbiger, hartnäckiger und dunkler die Farbflecken der Früchte und Gemüse sind, desto gesünder für den Körper. Dunkle Beeren, Kirschen, Randen, Schokolade, Tomatensauce und Kurkuma färben nicht nur äusserlich, sondern geben auch innerlich dem Stoffwechsel «mehr Farbe» und damit hilfreiche Unterstützung.
  • Ganze Früchte und Gemüse mit Schale und Kerne zu essen macht Sinn. Sogar bei Orangen und Mandarinen sind wertvolle Substanzen in der weissen Haut versteckt.
  • Bitterstoffe in Gemüse und Salaten, aber auch Schokolade sind wichtig für den Stoffwechsel. Der herbe Geschmack von Grüntee, Cranberries und Rotwein wirkt vielfältig positiv auf die Organe und Blutgefässe.
  • Gewürze in reichhaltiger Abwechslung, Menge und Kombination sind förderlich für Gaumen, Psyche, Blutdruck und Stoffwechsel.

Die Harmonie des ganzen Orchesters

Von den geschätzten 20’000 bioaktiven Pflanzenstoffen werden wir noch viel Interessantes hören in den nächsten Jahren. Die Wissenschaftler haben in den letzten fünfzig Jahren ihren Fokus von den wenigen Vitaminen und Mineralstoffen auf die unzähligen anderen Pflanzenstoffe verlagert, weil ein immenses Potential darin liegt: Für die generelle Krebsprävention, Herz-Kreislauf- und Blutzirkulations-Verbesserung, Hirnstoffwechsel-Aktivierung, Diabetes-Reduzierung, Hormon-Stimulation und allgemeine Alterungs-Verlangsamung durch Zellschutz-Stoffe. Forscher finden immer wieder einzelne Pflanzenstoffe, die spezifische Wirkungen zeigen, welche dem Körper Heilkraft versprechen. Damit verbunden ist die Möglichkeit, daraus ein Medikament zu entwickeln, das patentiert und vermarktet werden kann. Aber hoffentlich sind unsere Wissenschaftler gescheiter geworden und vergessen nicht, dass solche Einzelstoffe niemals alleine ihren Job machen können, um die gewünschte Wirkung zu erzielen! Die Natur war schon immer in ihrem Zusammenspiel von «Teamplayern» stark. Die lebendige Symbiose von vielen verschiedenen Pflanzenstoffen in ihrer natürlichen Umgebung und Menge ergibt wie in einem Orchester ein volles, reichhaltiges Klanggebilde – die Harmonie im Zusammenspiel!